«Es gibt nichts Wichtigeres als den Menschen…“ – schrieb Marina Zwetajewa an Ihre Tochter Ariadna im Jahre 1937. Diese Worte einer der größten russischen Dichterin des 20. Jahrhunderts wurden zum Titel der Veranstaltung am 4. Oktober 2020 im Rahmen der 30. Interkulturellen Tagen.
Marina Zwetajewa-Lagerfeuer ist ein eigenartiges poetisches Erlebnis, das zum ersten Mal vor 34 Jahren in Tarussa, Russland, stattgefunden hat. Heutzutage trifft man sich weltweit am ersten Oktobersonntag, um Gedichte und Prosalyrik von Marina Zwetajewa vorzulesen und sich an die große Lyrikerin des „Silbernen Zeitalters“ zu erinnern.
Ein literarisch-musikalisches Konzert leitete das poetische Lagerfeuer ein und wurde Ariadna Efron, der Tochter der Dichterin M. Zwetajewa, gewidmet. Ariadna hat mit sechs Jahren ihre erstaunliche Beobachtungsgabe gezeigt und in ihrem Tagebuch ein kurzes aber allumfassendes Charakterbild der Mutter beschrieben. Marina Zwetajewa ihrerseits widmete Ariadna eine Reihe von Gedichten.
Dem Lebenslauf der Familie Zwetajewa folgend erklangen die Erinnerungen Ariadnas über die Kindheit in Moskau, die Jugend im Exil in Tschechien und in Frankreich sowie Ausschnitte aus dem Briefwechsel, die sie mit Boris Pasternak aus der Verbannung in Turuchansk, Ost Sibirien, führte. Aus der Turuchansk-Periode sind einige Gedichte von Ariadna durch ein Wunder erhalten geblieben, darunter ein nach dem Tode von Marina Zwetajewa geschriebenes Gedicht als eine Widmung an die Mutter.
Ganze Nacht hab´ nach Dir gesucht,
Heute suche ich wieder Dich,
Wieder löst Du Dich in der Luft,
Wieder Ruf mein fernab verblich.
(Aus dem Gedicht von A. Efron. Übersetzung ins Deutsche von Viktor Tabere, 2020)
Meine Mutter … „liebt Poesie und Musik“, schrieb Ariadna. Grade deswegen begleitet uns an diesem Abend großartige Musik. Die Berliner Konzertpianistin Natalia Nikolaeva spielte virtuos Werke von F. Schubert, E. Sati, N. Medtner, S. Rachmaninov sowie dem polnischen Komponisten K. Borsuk. Karol Borsuk widmete Marina Zwetajewa eine musikalische Skizze, die in seiner Anwesenheit im Konzert erklang.
Der poetische Abend setzte sich traditionell am Lagerfeuer im Garten des DRKI fort. Jeder konnte sein Lieblingsgedicht von Marina Zwetajewa vorlesen und emotionell die Zuschauer faszinieren. Bis spät abends erklang die Lyrik von Marina Zwetajewa in verschiedenen Sprachen: auf Deutsch, auf Polnisch sowie auf Russisch… Eine besondere Stimmung herrschte um das Lagerfeuer herum, diese Stimmung vereinte die poetischen Seelen unabhängig von der Nationalität und dem Alter, bewegte die Gemüter zu ehrendem Gedenken an die große Lyrikerin des 20. Jahrhunderts. Eine große Überraschung bereitete uns der Dresdner Lyriker Michael Zschech. Als Erstaufführung las er seine Übersetzung (nachgedichtet nach der Übersetzung von Richard Pietraß 1987) des Poems „Georgi“ aus dem Gedichtzyklus von Marina Zwetajewa vor. Marina Zwetajewa widmete ihn Sergei Efron.