Das Werk des großen russischen Literaten Dostojewskij stößt in Deutschland auf außergewöhnliches Interesse. Das bestätigen neue Übersetzungen seiner Werke in die deutsche Sprache und Bühnenproduktionen in den größten deutschen Theatern. In diesem Jahr hat unser gesellschaftlicher Verein Deutsch-Russisches Kulturinstitut e.V. die Durchführung des „Dostojewskij-Jahres 2021 in Deutschland“ initiiert, für das der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer verantwortlich war. Das „Dostojewskij-Jahr 2021“ unter dem Motto „Fjodor Dostojewskij – der Dichter der Menschlichkeit“ soll einen internationalen Dialog über Identität, Werte und spirituelle Orientierung schaffen. Die Schwerpunkte liegen in diesem Jahr auf dem deutsch-russischen Dialog, dem Dialog zwischen den Generationen, der Berichterstattung über die besonderen deutsch-sächsischen Beziehungen und dem Einsatz digitaler Technologien während der Pandemie.
Fjodor Dostojewskij bereiste mehrere europäische Länder und Städte. Gemeinsam mit seiner Frau Anna Grigorjewna Dostojewskaja, geb. Snitkina, lebte er über 4 Jahre in Europa. Auch Dresden zählte zu seinen Destinationen. 2 Jahre lebte er hier.
Vieles verbindet Dresden mit Dostojewskij. Eine der emotionalsten Verbindungen ist wohl die Geburt seiner Tochter Lubov im Jahr 1869. Sie wurde von Erzpriester Alexander Rosanow in der russisch-orthodoxen Gemeinde getauft. Das Grab dieses Priesters befindet sich auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof in Dresden. Hier ist auch Dostojewskijs bester Freund, Mäzen und Diplomat, Baron von Wrangel, begraben.
Auch eine literarische Verbindung lässt sich finden: Dostojewskij schrieb hier die erste Version seines prophetischen Romans „Die Dämonen“. Außerdem war er sein ganzes Leben lang von dem Bild der Sixtinischen Madonna inspiriert, welches sich in der Dresdner Gemälde Galerie „Alte Meister“ befindet. Eine Fotokopie dieses berühmtesten Bildes von Raphael hing über seinem Sterbebett.
Auch die Bibliothek unseres Instituts wurde damals nach Dostojewskij benannt. Heute ist diese Bibliothek mit über 25000 Titeln eine der drei größten russischen Bibliotheken in Deutschland.
Im Oktober 2006 fand an der Elbe zwischen dem Sächsischen Parlament und dem Internationalen Kongresszentrum die feierliche Eröffnung des Denkmals für den großen russischen Schriftsteller statt. Die Leiterin dieses Projekts war die Gründerin des Instituts Valerija Dmitriewna Schälike. Der russische Präsident Wladimir Putin, Kanzlerin Angela Merkel und der damalige sächsische Ministerpräsident Professor Georg Milbradt kamen zur Gedenkfeier. In den Eröffnungsreden wurde das Engagement für den Aufbau und Erhalt der deutsch-russischen Kontakte im neuen Jahrtausend gewürdigt. In der russisch-orthodoxen Kirche „zum Heiligen Simeon vom wunderbaren Berge“ in Dresden wurde bereits symbolisch der Grundstein für das zukünftige Dostojewskij-Denkmal in Dresden gelegt. Das Festival umfasste auch literarische Lesungen, Theateraufführungen und ein Filmfestival.
1996 organisierte das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. die Feierlichkeiten zum 175. Geburtstag des russischen Genies schon einmal. Das wissenschaftliche Symposium „Das Prophetische in „Die Dämonen“ von Dostojewskij“ brachte erstmals die Präsidenten der deutschen, russischen, amerikanischen und anderer internationaler Dostojewskij-Gesellschaften zusammen.
Zum Jubiläumsjahr 2021 hat das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. ein Konzept für das „Dostojewskij-Jahr“ entwickelt, das verschiedene Programmpunkte umfasst. Aufgrund der anhaltenden Pandemiesituation mussten Änderungen im Ablauf vorgenommen werden. Die wichtigsten Ereignisse des „Dostojewskij-Jahres“ wurden auf die 2. Hälfte des Jahres 2021 sowie auf den Anfang des Jahres 2022 verschoben und erhielten den Namen „Dostojewskij-Tage 2021/2022“. Als Partner und Teilnehmer wurden von uns die Deutsche Dostojewskij Gesellschaft e.V. (Professor Christoph Garstka), das Institut für Slawistik an der Universität Dresden (Professor Holger Kusse), die Dostojewskij-Stiftung in Moskau (Professor Igor Wolgin), die Hochschule für Wirtschaft in Moskau (Professor Vladimir Kantor), Alexander Rahr (Politologe und Publizist, Berlin) und andere eingeladen. In Dresden findet 2022 in der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) ein runder Tisch „Gedanken an mein Dostojewskij“ mit Mitgliedern (Literaturwissenschaftlern) der Sächsischen Akademie der Künste statt. Volker Braun, Thomas Rosenlecher, Angela Kraus und Dr. Friedrich Diekmann waren sich einig, an der Diskussion teilzunehmen, die von Akademiker Peter Gosse moderiert wird. Da Fjodor Dostojewskij seit mehr als hundertfünfzig Jahren Teil des europäischen kollektiven literarischen Bewusstseins ist, werden Fragen über den wechselseitigen Einfluss der europäischen Kulturtradition und F. M. Dostojewskij behandelt. Die Zielgruppe der Veranstaltung sind Wissenschaftler, Politiker, Politikwissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Philosophen, Studenten und alle, die sich für Dostojewskij interessieren.
Am Vorabend des Jubiläums von Dostojewskij wurde das Grab von Erzpriester Alexander Rosanow auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof rekonstruiert. Wir haben eine Verbindung mit den Nachkommen von Alexander Rosanow in St. Petersburg, Hamburg und Paris hergestellt. Die Nachkommen und die Dresdner russisch-orthodoxe Gemeinde unterstützten die Arbeiten zur Restaurierung des Grabes finanziell. Leider konnte die geplante Teilnahme ausländischer Gäste an den Jubiläumsveranstaltungen in Dresden aufgrund der Pandemie nicht stattfinden.
Für den TV-Sender „Rossija odin“ (Russland 1) gab Wolfgang Schälike vor dem Dostojewskij-Denkmal dem Journalisten Michail Antonow ein Interview über die Wahrnehmung des großen russischen Schriftstellers und Denkers im modernen Deutschland. In der Sendung „Die Neuigkeiten der Woche mit Kisilew“ (https://www.youtube.com/watch?v=d0VCrhMUr-o) wurde anlässlich seines 200sten Geburtstages ein Beitrag über Dostojewskij ausgestrahlt (Min. 50:43 – 01:10:28). Dort sind auch Ausschnitte aus Dresden zu sehen (ab Min. 01:01:32).
Am 11. November 2021 legten der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, und der Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Russischen Kulturinstituts e.V., Dr. Wolfgang Schälicke, anlässlich des 200. Geburtstages von Fjodor Dostojewskij Blumen am Denkmal in Dresden nieder. „Das zeigt, wie eng wir miteinander verbunden sind, dass wir diese deutsch-russischen Beziehungen entwickeln wollen“, sagte Kretschmer vor Journalisten. Außerdem sei das Denkmal ein Beweis dafür, „was eine Bürgerinitiative leisten kann“, da seine Installation von den Leitern einer Nichtregierungsorganisation, dem Ehepaar Schälike, initiiert worden sei. Die Reise zum Denkmal war laut Botschafter Sergej Netschajew eine Initiative der Behörden des Bundeslandes Sachsen: „Das war eine Initiative der deutschen Seite, ich bin sehr dankbar, dass Sie viel für die Stärkung der kulturellen Beziehungen tun“, sagte der russische Botschafter bei einem gemeinsamen Briefing mit Kretschmer vor Journalisten. Er erinnerte daran, dass die deutsch-russischen Beziehungen eine lange Tradition haben, die weiterentwickelt werden müssen. Man müsse die „bösen Dämonen“ aus den deutsch-russischen Beziehungen vertreiben. „Wir haben mit Deutschland eine sehr positive Agenda. Ich würde sagen, es ist absolut einzigartig für die bilateralen Beziehungen in Europa – sehr viele Projekte, sehr viele Bereiche, in denen wir Berührungspunkte gefunden haben. Wir werden „Die Dämonen“ von Dostojewskij weiter genießen, aber wir werden die bösen Dämonen aus den deutsch-russischen Beziehungen vertreiben“, sagte er. Sergej Netschajew besuchte auch das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. in Dresden. Bei seinem Besuch überreichte er dem Vorstand des Instituts und Leiter des russischen Zentrums, Dr. W. Schälike, und Dr. O. W. Grossmann für ihren Beitrag zur Entwicklung der kulturellen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland den Orden „Stern von Dostojewskij“.
Wir präsentierten unseren Gästen die vom Dostojewskij-Museum (St. Petersburg) vorbereitete Ausstellung „Dostojewskij. Leben und Werke“. Ihr Motto waren die Worte von F. M. Dostojewskij: „der Mensch ist ein Geheimnis […] Ich beschäftige mich mit diesem Geheimnis, denn ich will ein Mensch sein.“ Die Ausstellung wurde von der Slawistin Hannelore Georgi ins Deutsche übersetzt und wird einem breiten deutschen Publikum in Begleitung des literarisch-musikalischen Programms „Dostojewskij – der Wahnsinn in der Musik“ von Dozentin Natalia Nikolaewa-Scheffler an der Universität Potsdam präsentiert. Denn Musik ist „[…] die gleiche Sprache, doch sie spricht das aus, was das Bewusstsein noch nicht bewältigt hat.“ (F. M. Dostojewskij). Die Reise in die musikalische Welt von Dostojewskij geht einher mit den Helden des Romans „Njetotschka Neswanowa“. Im Rahmen der „Deutschen Woche“ in St. Petersburg im Museum F. M. Dostojewskij, erklingen Werke von Bach, Beethoven, Mendelssohn, Liszt, Rachmaninow, Rebikov und Diaz.
Im nächsten Jahr werden wir und unsere Partner neue interessante Bücher präsentieren: Andreas Gurski (Basel): „Dostojewskij. Biografie“, Alexander Nitzberg (Wien): „Подросток“ (neue Übersetzung), Vitali Konstantinow (Marburg): „FMD – Leben und Werk von Dostojewski“. (Biografie in Comics), Jan Brokken (Niederlande): „Sibirischer Sommer mit Dostojewskij (auf Deutsch).
Auch die Erstellung, Fertigstellung und Präsentation der Publikation „Geschichte des Dostojewskij-Denkmals in Dresden“ und eines professionellen interaktiven Almanachs mit Essays der Teilnehmer des runden Tisches „Mein Dostojewskij“ gehören zu den zukünftigen Projekten unseres Vereins.
Gymnasiasten aus Riesa, Bautzen und Radebeul besuchten unsere Ausflüge „Das russische Kulturerbe in Dresden“ und legten Blumen an das Denkmal des großen Schriftstellers.
Das Deutsch-Russische Kulturinstitut e.V. fördert seit fast drei Jahrzehnten den Dialog und das Verständnis zwischen Russland und Deutschland. Diesen Beitrag zu einer positiven Kommunikation zwischen den beiden Ländern und Kulturen möchte der Verein auch weiterhin leisten. Gemeinsam mit Literaturwissenschaftlern, Philosophen, Politologen und anderen Experten wird dies in Zukunft im Rahmen einer Veranstaltungsreihe geschehen, die dem 200. Jahrestag der Geburt von Fjodor Dostojewskij gewidmet ist.
Wir wollen die Geschichte vom Leben und Werke des großen russischen Schriftstellers als Teil der Weltkultur einem breiten deutschen Publikum näherbringen und diskutieren, ob mit Hilfe des literarischen Erbes Dostojewskijs eine Wiederaufnahme des offenen und konstruktiven Dialogs zwischen Russland und Deutschland möglich ist. Wir erwarten Hunderte von Besuchern aus verschiedenen sozialen Schichten zu unseren Veranstaltungen im Rahmen des „Dostojewskij-Jahres“ 2021/2022.