(4. März 1922 – 19. Juli 2014)
Iring Fetscher wurde am 4. März 1922 in Marbach a. Neckar geboren. Sein Vater, der Mediziner Rainer Fetscher, wurde als überzeugter Gegner der Nationalsozialisten 1934 aus dem Hochschuldienst am Pädagogischen Institut Dresden entlassen; zwei Jahre später verlor er auch seine Professur an der Technischen Hochschule Dresden. Die Laufbahn des jungen Iring Fetschers entsprach zunächst so ganz und gar nicht der politischen Einstellung seines Vaters. Verführt von der NS-Propaganda, trat er 1940 in die NSDAP ein und meldete sich freiwillig als Offiziersanwärter der Wehrmacht. Er diente in verschiedenen Artillerieregimenten in den Niederlanden, der Sowjetunion und in Belgien.
Nach seiner Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft unternahm er zunächst den Versuch, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er begann ein Medizinstudium, wandte sich aber schon bald dem Studium der Philosophie, Germanistik, Romanistik und Geschichte zu. 1950 reichte er seine Promotionsarbeit über Hegels Lehre vom Menschen ein, neun Jahre später erfolgte die Habilitation. Von nun an durfte er auch eigene Lehrveranstaltungen anbieten – zunächst als Privatdozent, ab 1963 als Professor für Politikwissenschaft und Sozialphilosophie an der Universität Frankfurt. Internationale Beachtung fanden insbesondere seine Forschungen über Karl Marx und den auf ihn zurückgehenden Marxismus. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze, darunter „Karl Marx und der Marxismus. Von der Philosophie des Proletariats zur proletarischen Weltanschauung“ (München 1967); „Ermutigung zur Zivilcourage“, in: Wickert, Ulrich (Hrsg.): Das Buch der Tugenden, 1996; „Rousseaus politische Philosophie. Zur Geschichte des demokratischen Freiheitsbegriffs“ (Frankfurt am Main 1993) und das Buch „Individualisierung versus Solidarität“ aus der Reihe Wiener Vorlesungen.
Iring Fetscher war ein häufiger Gast in Fernsehsendungen. Vor allem bei den Themen Mitbestimmung, RAF und „Grenzen des Wachstums“ waren seine Kommentare gefragt. Die Frage, wie er sich in jungen Jahren von der faschistischen Ideologie hatte verführen lassen, beschäftigte ihn sein ganzes Leben. Sein 1995 erschienenes Buch „Neugier und Furcht. Versuch, mein Leben zu verstehen“ zeugt von Fetschers intensiver Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel seines Lebens.