Das 17. Marina Zwetajewa-Lagerfeuer – Wärmende Flammen der Poesie und der Hoffnung  an einem kalten 8. Oktober

Seit vielen Jahren schon versammeln sich Menschen in allen Teilen der Welt am ersten Oktoberwochenende am Feuer, um einer Frau zu gedenken, die heute zu den bedeutendsten russischen Schriftstellerinnen und Dichterinnen des 20. Jahrhunderts gezählt wird. Marina Zwetajewa besaß einen wachen Geist, war selbstbewusst und ließ sich in kein Schema pressen, aber sie war auch überaus feinfühlig – wir würden heute sagen: sie besaß ein ausgesprochen empathisches Talent. In ihrem Schicksal spiegelt sich die ganze Tragik und Zerrissenheit ihrer Zeit wider, und vielleicht macht gerade das auch einen Teil der Faszination aus, die noch heute von ihren Werken ausgeht.

Auch am Deutsch-Russischen Kulturinstitut ist das alljährliche Marina Zwetajewa-Lagerfeuer längst zur guten Tradition geworden. Siebzehn mal wurde es bereits entzündet, und das, wie wir nicht ohne Stolz sagen dürfen, ohne eine einzige Unterbrechung

Im Mittelpunkt des ersten Teils des diesjährigen Marina Zwetajewa Gedenkens am DRKI stand jedoch nicht die außergewöhnliche Dichterin selbst, sondern ihr Vater, Iwan Wladimirowitsch Zwetajew, dessen Name untrennbar mit dem heutigen Puschkin-Museum – einem der bedeutendsten Museen Moskaus – verbunden ist. Warum? Ganz einfach: Iwan Wladimirowitsch Zwetajew ist der geistige Schöpfer dieses Museums, das bei seiner Gründung allerdings noch den Namen des Zaren Alexander III. erhielt. Trotz der wenig angenehmen Witterung war der Saal des DRKI bis auf den letzten Platz besetzt. Mehr als eine Stunde lang ließ uns Natalja Zagorskaya an dem in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Schriftwechsel zwischen Iwan W. Zwetajew und dem Direktor des Albertinums, Prof. Georg Treu, teilhaben, beleuchtete aber auch die Rolle der weiteren „Väter“ des Puschkin-Museums, allen voran die des Hauptsponsoren Jurij Stepanowitsch Malzow. Marinas Mutter Maria Alexandrowna Meyn wiederum war nicht nur eine begnadete Konzertpianistin und liebevolle Gattin, sondern führte auch bei der gesamten Auslandskorrespondenz Zwetajews die Feder und träumte den Traum ihres Mannes: Die Schaffung eines Museums für Altertümer in Moskau.

Ebenso tiefgründig und eindrucksvoll wie Natalja Zagorskayas Ausführungen war das meisterhafte Spiel des Fagottisten Sergei Nikulin und seiner Begleiterin, der Pianistin Elena Rubinova.

Während sich die Besucher in der Pause mit selbstgebackenem Kuchen – selbstverständlich Apfelkuchen, so wie es sich an einem Marina Zwetajewa-Abend gehört – stärkten, entzündeten fleißige Helfer im Garten das traditionelle Lagerfeuer. Im flackernden Schein des Feuers, seit alter Zeit ein Symbol der Hoffnung und des Friedens, begaben wir uns auf eine Reise in die Welt der Poesie. Welche Verse uns erwarten würden, wusste niemand, denn traditionell wurde dieser Teil des Marina Zwetajewa-Abends von den Besuchern gestaltet. Es wurde ein Abend voller Prosa – mal klassisch, mal modern, mal auf Russisch, mal auf Deutsch, zum Teil sogar aus eigener Feder stammend, mal lebhaft, mal melancholisch, so fesselnd und faszinierend, dass alle der Kälte standhielten und erst die tiefer werdende Dunkelheit uns zum Aufbruch drängte.

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