Professor Ludolf Müller, Slawist und Literaturwissenschaftler
(4. April 1917 – 22. April 2009)
Ludolf Müller wurde 1917 im damals noch westpreußischen Schönsee geboren. Sein Vater war der Pfarrer und spätere Landesbischof der Evangelischen Kirchenprovinz Sachsen Ludolf Hermann Müller. Nachdem Westpreußen infolge des Versailler Vertrags an Polen gefallen war, musste die Familie 1921 ihre Heimat verlassen; der Vater wurde zunächst Pfarrer in Dingelstedt, 1927 dann Superintendent in Heiligenstadt (Eichsfeld). Hier besuchte Ludolf Müller das Gymnasium und schrieb sich dann für ein Studium der Evangelischen Theologie ein. Nach zwei Jahren Studium in Leipzig, Bethel und Rostock ging er für ein Jahr an die Theologische Hochschule in Sárospatak. Die Freundschaft mit Dmitrij Tschižewski, der dort Slowakisch lehrte, sollte Müllers weiteren Lebensweg entscheidend verändern: Der junge Mann war von der Vielfalt der slawischen Sprachen und Kulturen so fasziniert, dass er sich nach seiner Rückkehr nach Halle zusätzlich für ein Slawistikstudium einschrieb.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzte dem wissbegierigen Streben des Studenten ein Ende. Von 1939 bis 1945 diente Müller als Soldat und geriet schließlich in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Freilassung schloss er das Slawistikstudium in Göttingen und Marburg ab. Hier promovierte er 1947 auch. Sein Doktorvater war kein anderer als Dmitrij Tschižewski, der die Liebe zur Slawistik in ihm geweckt hatte.
In den folgenden zwei Jahren arbeitete er als Tschižewskis Assistent und bereitete sich gleichzeitig auf seine Habilitation an der Theologischen Fakultät vor. Müllers Habilitationsarbeit trug den Titel „Die Kritik des Protestantismus in der russischen Theologie und Philosophie“ (1949).
1953 erhielt Müller einen Ruf auf den Lehrstuhl für Slawische Philologie nach Kiel. Acht Jahre später wechselte er von dort nach Tübingen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1982 blieb.
Müllers Forschungsinteressen waren breit gefächert und umfassten die russische Literaturgeschichte, Kirchengeschichte, Geistesgeschichte vom 10. bis zum 20. Jahrhundert ebenso wie die altrussische Literatur der Kiewer Rus, die russische Philosophie des 19. Jahrhunderts (v.a. Solowjow) und natürlich Dostojewski. Aus der Vielzahl seiner wissenschaftlichen Arbeiten seien stellvertretend nur genannt: „Solovjev und der Protestantismus“ (1951), „Die Dreifaltigkeitsikone des Andréj Rubljów“ (1990), die Übersetzung der „Werke des Metropoliten Ilarion“ (1971) und die Übersetzung „Das Lied von der Heerfahrt Igors“ (1989). Außerdem war er unter anderem Herausgeber des vierbändigen „Handbuchs zur Nestorchronik“ (1977-2001).
Prof. Müller besuchte das DRKI 1996 im Rahmen der Feierlichkeiten zum 175. Geburtstag Dostojewskis.