Bulat Schalwowitsch Okudschawa
(9. Mai 1924 – 12. Juni 1997)
Okudschawa zählt zu den bedeutendsten und bekanntesten Liedermachern der sowjetischen Nachkriegsgeneration. Als Sohn einer Armenierin und eines Georgiers wurde er in Moskau geboren. 1937 fielen seine Eltern dem Stalinistischen Terror zum Opfer – der Vater wurde verhaftet und unter dem Vorwand, ein Trotzkist zu sein, erschossen, die Mutter als „Frau eines Volksfeindes“ 1938 für zehn Jahre nach Sibirien verbannt. Bulat selbst zog 1940 zu Verwandten nach Tiflis. Mit knapp achtzehn Jahren wurde er zur Armee eingezogen und nach entsprechender Ausbildung in eine Artillerieeinheit versetzt. Am 16. Dezember 1942 wurde er in der Schlacht um Moskau schwer verwundet. Nach seiner Genesung war er an der Kaukasusfront eingesetzt und wurde schließlich im März 1944 als Gardist der Roten Armee entlassen.
Ein Jahr später legte Bulat Okudschawa in Tiflis das Abitur ab und schrieb sich für das Studium der Philologie an der dortigen Universität ein. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss 1950 arbeitete er mehrere Jahre als Lehrer im Oblast Kaluga, doch dieses Leben war auf die Dauer nichts für ihn. Bulat zog es nach Moskau.
Als seine Mutter 1959 rehabilitiert wurde, konnte er endlich in seine Geburtsstadt zurückkehren.
Hier arbeitete Bulat Okudschawa als Redakteur bei verschiedenen Literaturjournalen und konnte mit der einsetzenden Entspannung im Zuge der Tauwetterperiode mit eigenen Gedichten als Liedermacher auftreten. Die ersten Verse hatte er bereits in Tiflis geschrieben, konnte sie jedoch zu jener Zeit nicht veröffentlichen.
Die Lieder waren nur vordergründig unpolitisch – zwischen den Zeilen jedoch waren sie ein Plädoyer gegen staatliche Bevormundung und Gleichschaltung. In Privatwohnungen wurden seine Lieder auf Tonband aufgenommen und in Windeseile in alle Teile der Sowjetunion verbreitet. Vor allem junge Leute waren begeistert – Bulat Okudschawa gab einer ganzen Generation eine Stimme.
Seit den 1960er Jahren klopften auch Filmregisseure wieder und wieder an Okudschawas Tür. Allein aus der Zusammenarbeit mit dem Komponisten Isaak Schwarz entsprangen 32 Lieder. Doch auch jetzt dachte Bulat Okudschawa nicht daran, sich anzupassen. Er war ein entschiedener Gegner der Zensur und der Verfolgung kritischer Zeitgenossen wie z.B. Alexander Solschenizyn.
Bulat Okudschawa war ein unbequemer, aber äußerst beliebter Barde, und das nicht nur in der Sowjetunion, sondern auch in Polen, der Tschechoslowakei und in der DDR. Im Jahre 1992 wurde er in die Begnadigungskommission des russischen Präsidenten berufen – ihre Aufgabe war es, die zur Zeit der Sowjetunion ergangenen Fehlurteile zu korrigieren. Okudschawa gehörte dieser Kommission bis zu seinem Tod an.
Okudschawa hinterließ uns jedoch nicht nur seine Lieder, sondern auch zahlreiche Romane und Drehbücher. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Romane „Reise der Dilettanten“ und „Begegnung mit Bonaparte“ sowie die Drehbücher zu „Wernost“ und „Schenja, Schenjetschka i Katjuscha“. Er starb am 12. Juni 1997 auf einer Lesereise im Militärkrankenhaus Percy bei Paris und wurde in Moskau bestattet.
Bulat Okudschawa besuchte das DRKI am 12. September 1995.