Gottfried Reinhardt
(1935 – 23. Juni 2013)
„Wir sind lustige Leute, denn wir sind nicht zum Spaß auf der Welt.“ Der Widerspruch in Gottfried Reinhardts Leitspruch ist nur ein scheinbarer, denn was hilft uns besser, Belastungen und Krisenzeiten zu überstehen, als ein wenig Humor. „Ein Tag, an dem du nicht gelacht, sei aus dem Leben weggedacht“, besagt ein Sprichwort, und trifft damit den Kern der Sache. Gottfried Reinhardt jedenfalls hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mit seinen Puppen ein Lächeln auf die Gesichter seiner großen und kleinen Zuschauer zu zaubern. Mal satirisch, mal bissig-ironisch, immer aber urkomisch, nahm er die große und kleine Welt, in der wir leben, auf die Schippe. Dabei schien das Leben zunächst ganz andere Pläne mit dem Dresdner – pardon: sächsischen – Original zu haben. Als Kind hatte er die Bombardierung seiner Heimatstadt Dresden mit- und überlebt. Die schrecklichen Bilder prägten sich tief in sein Gedächtnis ein, doch lehrten sie den Jungen auch, wie wichtig es ist, jeden Tag zu leben!
Später studierte Gottfried Reinhardt (reichlich lustlos, wie er selbst zugibt) in Dresden Architektur und heuerte schließlich 1961 beim Dresdner DEFA-Trickfilmstudio an. Interessanterweise schadeten seine Kontakte zu staatskritischen Künstlerkreisen seiner Karriere nicht, sondern beförderten sie sogar, denn man kannte sich und half sich gegenseitig – Gottfried Reinhardt war, wie wir heute sagen würden, hervorragend vernetzt. Dank dieser Beziehungen gelangte er schließlich ans Staatstheater Bautzen, wo er sich endlich seinen Jugendtraum erfüllen konnte: als Bühnenbildner zu arbeiten.
Aber auch das „Menschentheater“ war nur eine Station auf seinem Weg: ob in Bautzen, Görlitz, Freiberg oder Zittau – nirgends wurde Reinhardt so richtig „warm“. Vor allem die oft sehr eigenwillige, um nicht zu sagen exzentrische Art vieler Regisseure und Schauspieler stieß bei ihm bitter auf. Mit der Zeit entwickelte Reinhardt einen regelrechten Hass auf das „Menschentheater“, wie sein Abschiedsbrief an den Görlitzer Intendanten eindrucksvoll belegt. Darin heißt es: “Meine Zusammenarbeit mit Ihrem Haus hat zu Ergebnissen geführt, die weit unter meinem Niveau liegen. Ich bitte Sie, meinen Vertrag sofort zu lösen. Ich betone, daß das auch im Interesse des Theaters liegt. Wenn Sie mich nicht gehen lassen, wird’s furchtbar!”
Wie anders war doch das Puppentheater! Hier fand Gottfried Reinhardt endlich seine Bestimmung. 1972 stellt er zum ersten Mal ein selbstgebasteltes Puppenbühnenhaus auf – natürlich in Dresden, direkt neben dem Zwinger. Eigentlich war es eine Privataufführung in der Außenstelle des Instituts für Theater und Kulturbauten, doch wie es der Zufall wollte, schaute gerade zu dieser Zeit der bekannte Puppenspieler Herbert Ritscher auf. Ritscher wurde Zeuge der Uraufführung von Reinhardts selbstverfassten Stückchen „Die Hochzeit im Spreewald“ und „Don Giovanni“ – und war begeistert. Der Beifall und Zuspruch des berühmten Puppenspielers ermutigte Reinhardt, den Weg, den er betreten hatte, weiter zu gehen. Er sollte es nie bereuen. Ob griechische Tragödie, Schwänke oder humorvoll interpretierte „schwere“ Opernkost wie „Die Fortsetzung der Oper Carmen“ oder „Ein Bankeinbruch“ – Gottfried Reinhardt spielte sie alle. Sein Motto: „Mein Theater soll die Bombe des Lebens entschärfen…es soll die Menschen ein wenig lösen, erlösen kann ich sie nicht.“
Halt und Trost findet Gottfried Reinhardt seit vielen Jahren im Glauben. Ursprünglich evangelisch getauft, entdeckte er schon vor langer Zeit die tiefe Spiritualität des russisch-orthodoxen Glaubens für sich. Dieser Glaube berührte sein Innerstes so sehr, dass er sich in Sagorsk zum Diakon ausbilden ließ und seitdem an der russisch-orthodoxen Kirche in Dresden dieses Amt ausübte.
Das Puppenspielen musste Gottfried Reinhardt nach einem Schlaganfall 2009 aufgeben, doch seinen Lebensmut konnte auch dieser Schicksalsschlag nicht brechen. Stattdessen wandte er sich nun wieder verstärkt der Malerei zu, bis ihn der Tod am 23. Juni 2013 endgültig von der Bühne dieser Welt abberief.
Reinhardt Gottfried erfreute uns am 19. Mai 2000 und am 22. September 2000 mit seinem Puppenspiel.