Wladimir Nikolajewitsch Wojnowitsch, Schriftsteller
(26. September 1932 – 27. Juli 2018)
Der Lebensweg jenes Mannes, der zu den bedeutendsten Satirikern seiner Zeit gezählt wird, verlief alles andere als geradlinig. Im Gegenteil: seine Biographie weist eine überraschende Zahl von unerwarteten Wendungen auf, die sowohl den Menschen Wladimir Nikolajewitsch als auch sein Werk prägten. Sogar der Name seiner Heimatstadt änderte sich: Zum Zeitpunkt seiner Geburt hieß sie Stalinagrad; später erhielt sie ihren alten Namen zurück – Duschanbe.
Wojnowitschs Vater war unter anderem verantwortlicher Redakteur der Zeitung „Kommunist Tadschikistan“, geriet aber schon 1936 in die Mühlen der Stalinschen Repression. Er wurde verhaftet und wenige Monate nach seiner im Frühjahr 1941 erfolgten Freilassung an die Front geschickt. Dass er dort bereits nach kurzer Zeit verwundet wurde, war gewissermaßen sein Glück, denn fortan galt er als Invalide.
Wenige Wochen vor Kriegsausbruch war die mit dem Vater wiedervereinte Familie zu dessen Schwester nach Saporoschje gezogen; nur einige Monate später wurden sie vor den anrückenden Deutschen evakuiert und kurz darauf ein zweites Mal in Sicherheit gebracht. Erst im November 1945 konnte die Familie nach Saporoschje zurückkehren, doch die Ereignisse jener Zeit hatten sich tief in das Gedächtnis des jungen Wladimir eingeprägt.
Wojnowitsch selbst war lange auf der Suche nach einer Arbeit, in der er seine Erfüllung finden konnte. Er versuchte sich als Hirte, Zimmermann, Bahnarbeiter, Radioredakteur und Flugzeugmechaniker, ehe er 1956 erste Erzählungen veröffentlichte die – dem Geist der Zeit entsprechend – voll des Lobes auf den „real existierenden Sozialismus“ waren. Das aber sollte sich ändern. Sieben lange Jahre – von 1963 bis 1970 – schrieb Wojnowitsch an seinem Schelmenroman „Die denkwürdigen Abenteuer des Soldaten Iwan Tschonkin“; es war eine Abrechnung mit dem herrschenden System. Iwan Tschonkin, der leicht trottelige Held des Romans, führt sämtliche Befehle wortwörtlich aus und offenbart auf diese Weise die Fehler und Missstände des Systems. Der Roman machte Wojnowitsch im Westen schlagartig bekannt – in der Sowjetunion hingegen brachte er ihm nichts als Ärger ein. Zu allem „Überfluss“ unterstützte Wojnowitsch auch noch aktiv die oppositionellen Kräfte seines Landes. Die Folgen: 1974 wurde er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, 1980 ausgebürgert. Dem unbequemen Autor blieb also nichts anderes übrig, als auszuwandern. Erst 1990 wurde er rehabilitiert. Bis dahin lebte Wojnowitsch in der Nähe von München.
Nach seiner Rehabilitation wurde ihm endlich auch in der Heimat die Anerkennung zuteil, die er verdiente. Wojnowitsch erhielt mehrere Auszeichnungen und Preise, so u.a. den Dr. Friedrich Joseph Haass-Preis des Deutsch-Russischen Forums (1999) und den Lew-Kopelew-Preis (2016). Neben den beiden Romanen um und mit Iwan Tschonkin schenkte er der Welt auch Werke wie „Auf gut Russisch oder Der ich hätte werden können“ (1982), „Aglaja Rewkinas letzte Liebe“ (2002) oder „Zwischenfall im Metropol. Meine erstaunliche KGB-Akte“ (1994).
Wladimir Wojnowitsch besuchte das DRKI am 8. November 1997 anlässlich einer Buchlesung.